Hochspannung USA-Iran nach Ermordung des Generals Suleimani, Notizen ORF

Nachdem die USA den iranischen General Soleimani Ende letzter Woche getötet haben, sah es so aus als könnte es zu einem Krieg zwischen den USA und dem Iran kommen. Ist diese Gefahr jetzt behoben, nachdem der Iran zurückgeschossen hat aber Donald Trump gestern darauf verzichtete, weitere Eskalationsschritte zu setzen?
Unmittelbar ist das Risiko, dass es zu einem Krieg kommt, zurückgegangen. Man sieht das schon am großen Aufatmen, das bei den Nachbarn zu spüren ist, auch bei den Europäern. Der dahinter stehende Konflikt wer die wichtigste Ordnungskraft ist in der Region, die USA oder das Mullahregime in Teheran, ist aber in keiner Weise gelöst. Das ist ein Schattenkrieg, der weitergehen wird.
Dass die USA sich dazu entschlossen haben einen derart wichtigen Repräsentanten des iranischen Staates wie diesen General Solemani bewusst und gezielt zu töten oder zu ermorden, das war ein bedeutender Schritt der Eskalation.
Wobei bemerkenswert ist, wie sich die Wortwahl verschoben hat. Vor 20 Jahren solche Aktionen auch gegeben. Da war von gezielter Ermordung die Rede, targeted assasination, auch in den USA.
Dann kam der Antiterrorkrieg und solche Angriffe durch Dronen gegen wirkliche oder angebliche Terroristen sind immer häufiger geworden. Man spricht mehr von targeted killing, gezielter Tötung.
Wobei die USA im Fall Soleimani einen Schritt weiter gegangen sind, weil der Mann ja nicht irgendein Terrorist war, sondern ein hoher Vertreter eines souveränen Staates.
Warum war dieser iranische General Soleimani so wichtig? Im Westen hat man den Namen ja bis letzte Woche nicht gekannt.
Es gibt viele Experten, die sagen, General Soleimani war wichtiger als der Verteidigungsminister, vielleicht sogar wichtiger als der Premierminister, weil er so eng mit dem Obersten Geistigen Führer war.
Er war Kommandant der militärischen Auslandsaktivitäten der Revolutionsgarde, der sogenannten Quds Einheit. Überall wo der Iran seinen Einfluss in der Nachbarschaft ausgeweitet hat, über Verbündete, mit Waffen, mit Paramilitärs in den letzten Jahren, war Soleimani die Schlüsselfigur. Im Libanon, Im Syrienkrieg, da haben die Iraner dem Assadregime zum Sieg verholfen.
Im Irak, wo die Schiiten die Mehrheit sind und schiitischen Milizen und die schiitischen Parteien so viel Gewicht haben. Auch im Kampf gegen den IS übrigens.
Überall hat dieser General mit seiner Organisation eine zentrale Rolle gespielt.
Ist inzwischen klar, wie Donald Trump zur Entscheidung gekommen ist, diesen Angriff durchzuführen?
Die amerikanischen Zeitungen schreiben, dass Trump im Fernsehen die Demonstranten gesehen hat, die die amerikanische Botschaft in Bagdad angegriffen hat. Das waren Leute aus dem proiranischen Lager im Irak, die Amerikaner waren der Meinung, der Iran steckt hinter diesen Demonstrationen. Es hat sich schon vorher die Lage aufgeschaukelt mit gegenseitigen Angriffen. Und Trump wollte nicht als schwach dastehen.
Die Militärs haben Trump dann mehrere Optionen gegeben, wie das immer passiert. Unter diesen Optionen war auch die Ermordung Soleimanis, die aber dort gestanden ist, damit sie Trump streicht, weil sie so verrückt erschienen ist. Der Präsident muss immer etwas streichen können, was die Militärs vorschlagen. Aber Trump hat sich für genau diese Option entschieden.
Was sind denn im Iran die politischen Folgen dieses Showdowns? Man hat riesige Massen bei den Trauerfeierlichkeiten gesehen. Was war davon echt, was war offiziell organisiert?
Natürlich war das vom Staat organsiert, keine Frage. Aber es war auch echtes Entsetzen, darüber dass die USA einen derart wichtigen Regierungsvertreter umbringen. Das wurde ganz breit als Angriff auf die iranische Nation empfunden, daher diese riesigen Mengen an Menschen bei den Trauerfeierlichkeiten. So etwas hat es seit dem Tod des Revolutionsführers Chomeini nicht mehr gegeben.
Politisch nützt das dem Regime. Es hat in den letzten Wochen in unzähligen iranischen Städten große Proteste gegen die Regierung gegeben, ausgehend von Benzinerhöhungen. Mit hunderten Toten, weil die Polizei geschossen hat. Das ist jetzt alles in den Hintergrund gedrängt durch den nationalen Schulterschluss gegen die USA.
Dramatische Auswirkungen hat es auch im Irak gegeben. Der tödliche Anschlag auf den iranischen General fand ja auf irakischem Boden statt, beim Flughafen von Bagdad. Als Reaktion hat das Parlament in Bagdad den Rückzug der amerikanischen Truppen gefordert. Hat sich die gesamte Strategie der USA damit nicht als kontraproduktiv herausgestellt?
Das ist leicht möglich. Vor allem im Irak sind die antiamerikanischen Gegenreaktionen für die USA ein riesiges Problem. Weil der Irak ja eigentlich ein Verbündeter sein sollte, seitdem die Amerikaner dort einmarschiert sind.
Die Resolution des Parlaments in Bagdad war nicht bindend, das wird nicht unmittelbar zu einem Abzug führen. Wenn jetzt der Ruf nach einem Abzug der USA und überhaupt des Westens aus dem Irak stärker wird im Irak, dann wird jemand in das entstehende Vakuum hineinstoßen. Und das wird wieder der Iran sein.
Wenn das so kommt, dann hat der Tod des iranischen Generals Soleimani dem Iran langfristig genützt und den USA geschadet.
Eine überlegte Entscheidung der amerikanischen Administration war es auf jeden Fall nicht.

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