China und die USA: fasziniert und abgestoßen zugleich

Deng Xiaoping, der große Reformer, setzte sich bei seinem Amerikabesuch nach Maos Tod einen Cowboyhut auf. Das Signal war eindeutig: China hat keine Scheu vor den Symbolen des amerikanischen Traums. An die Stelle maoistischer Abschottung trat die Öffnung zu kapitalistischem Know How, die dem Land den rasantesten Wirtschaftsaufschwung der Menschheitsgeschichte bescherte. Nach außen empfahl Deng bewusste Zurückhaltung, damit China’s Macht möglichst lange ungestört wachsen kann. Die Vorsicht hat Nach-Nachfolger Xi Jinping nicht mehr nötig. In der Entourage des Präsidenten tummelten sich letzte Woche die Chefs chinesischer Wirtschaftsgiganten, deren Firmen viele Milliarden Dollar wert sind. An der Westküste machte die Hightech Elite Amerikas Chinas oberstem Führer ihre Aufwartung. Dem Flugzeugbauer Boeing überreichte Xi Jinping einen Auftrag für 300 Passagierflugzeuge um 38 Milliarden Dollar. Das Reich der Mitte ist trotz aller Krisenzeichen das wichtigste Expansionsgebiet der Weltwirtschaft. China und die USA sind gleichzeitig voneinander fasziniert und abgestoßen. Wer Geld hat in China, schickt sein Kind an eine Universität in die USA. Sogar die Präsidententochter absolvierte ein Studium in Harvard. Amerikanische Wissenschaftler, Wirtschaftsgurus oder Filmstars sind ganz groß in China. Aber wenn etwas schief läuft in der Welt trägt für die chinesische Öffentlichkeit fast immer Amerika die Schuld. Egal ob beim eigenen Börsenkrach oder in der europäischen Flüchtlingskrise: überall sehen chinesische Kommentatoren den verhängnisvollen Einfluss der USA. Die USA sind das einzige Land, an dem das selbstbewusst gewordene China gemessen werden möchte. Den in Seattle versammelten Technologiegurus machte Xi Jinping deutlich: in Cyberspace, bislang eine amerikanische Domäne, haben strikt nationale Einschränkungen zu gelten. Mark Zuckerberg darf als bevorzugter Gesprächspartner des Präsidenten sein Chinesisch vorführen. Aber Facebook bleibt blockiert in China, genauso wie Google oder die New York Times, die sich den Zensurvorschriften Pekings nicht beugen. Das Chinabashing des republikanischen Vorwahlkampfes ist die Kehrseite des Drangs nach Asien. Publikumswirksam unkte Donald Trump, Xi Jinping verdiene höchstens einen Hamburger bei McDonalds und kein Staatsdinner im Weißen Haus. Der populistische Demagoge fordert hohe Zölle für chinesische Waren entsprechend der Devise „America First“. Der Vorwurf, dass chinesische Billigproduktion Millionen amerikanischer Arbeitsplätze kostet, kommt nicht nur von rechten Republikanern. Ganz ähnlich argumentieren auch linke Gewerkschaftler. Ökonomen werfen der chinesischen Zentralbank vor, dass sie die Währung künstlich niedrig hält, um Exporte zu erleichtern. Dass sich auch westliche Zentralbanken Wechselkurse beeinflussen, wird dabei gerne übersehen. Die Regierung Obama widersteht dem protektionistischen Druck. Nur oberflächlich kann der zeremonielle Pomp im Weißen Haus jedoch verdrängen, wie nachhaltig sich das Verhältnis zwischen den USA und China verschlechtert hat. Die amerikanischen Militärs drängen auf offensive Schritte gegen den Bau von Flugplätzen und Radaranlagen auf künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer. Ganz ähnlich gehen auch Vietnam, die Philippinen und andere Anrainerstaaten vor. Aber das Pentagon sucht nach Anlässen China in die Schranken zu weisen. Der Verdacht, dass China bei einem Hackerangriff auf das Personalbüro der US-Bundesbeamten Millionen Daten erbeutet hat, brachte sogar Barack Obama dazu, über Sanktionen zu spekulieren. Ein ungewöhnlicher Vorgang wenige Tage vor einem Staatsbesuch. Dass umgekehrt China ein bevorzugtes Ziel der NSA ist, haben allerdings Edward Snowdens Wikileaks-Enthüllungen klar dokumentiert. Die Bruchlinien sind durch den persönlichen Kontakt der Präsidenten entschärft, aber nicht beigelegt worden. Man wird nach Wegen suchen irrtümliche Zusammenstöße zwischen Kriegsschiffen und Militärflugzeugen zu vermeiden. Beim Hackerstreit hoffen die USA auf eine Art digitales Rüstungskontrollabkommen, das Spitäler, Handynetze und andere lebenswichtige Bereiche aus den Vorbereitungen zum Cyberkrieg herausnimmt. Digitale Wirtschaftskriminalität soll tabuisiert werden. Xi Jinping ist ein pragmatischer Machtpolitiker, kein ideologischer Hardliner. Darin trifft er sich mit Barack Obama. Sollte das chinesische Wachstumsmodell in echte Schwierigkeiten geraten, hält er sich jedoch die nationalistische Option offen, gegen die USA als Außenfeind zu mobilisieren. Der chinesischen Forderung, dass ein Pakt der Großmächte an die Stelle der Supermacht USA treten soll, kann wiederum keine US-Administration näher treten. Die Welt wird sich an die gefährliche Rivalität zwischen der etablierten Supermacht Amerika und dem chinesischen Herausforderer gewöhnen müssen.