Auch in Brasilien: Trumpismus im Vormarsch

 

Brasiliens Demokratie steht an der Kippe. 46 Prozent der Stimmen für den rechtsextremen ehemaligen Militär Jair Bolsonaro im größten Land Lateinamerikas sind ein Desaster für die Linke und eine tödliche Gefahr für die seit Ende der Militärdiktaturen erkämpften Freiheiten. Bis 1985 regierten in Brasilien 20 Jahre die Generäle. Oppositionelle wurden verhaftet, gefoltert und ermordet. Bolsonaro preist die Diktatur als Vorbild für ein erfolgreiches Brasilien. Der Rückgriff auf die dunkle Vergangenheit hat dutzende Millionen Wähler nicht daran gehindert, aus Protest gegen Korruption und Kriminalität dem Demagogen ihre Stimme zu geben.
Die Arbeiterpartei von Ex-Präsident Lula da Silva steht jetzt vor der schier unlösbaren Aufgabe, für die Stichwahl in drei Wochen die zersplitterte Linke hinter ihrem Kandidaten Haddad zu vereinen. Die tiefe Rezession der letzten Jahre und Korruption hatten das Vertrauen in die Arbeiterpartei erschüttert. Lula ist wegen eines Korruptionsurteils inhaftiert, das stark parteipolitisch motiviert ist. Dass ihm die politisch motivierte Justiz knapp vor der Wahl eine Kandidatur verbot, hat die Linke desorientiert.
Jair Bolsonaro ist ursprünglich von einem evangelikalen Milliardär und einer Lobby ehemaliger Militärs als Retter gegen Misswirtschaft und Kriminalität auf das Schild gehoben. Gegen seinen aggressiven Machismo hatten sich hunderttausende Frauen mobilisiert. Vergeblich. Zum Repertoir des Rechtsextremen gehört offen vorgetragene Verachtung für Frauen genauso wie die Verteufelung der Quoten, die dunkelhäutigen Brasilianern einen besseren Zugang zu den Universitäten bringt.
Jair Bolsonaro ist die lateinamerikanische Ausgabe Donald Trumps. Die Widerstandskraft der Zivilgesellschaft in Europa und den USA ist stärker als in Lateinamerika. Aber die rechtsrechte Flut des Trumpismus ist ein globales Phänomen.
In den USA selbst feiert Donald Trump mit der Ernennung des neuen Höchstrichters Brett Kavanaugh seinen bisher größten Erfolg. Mit dem neuen Mann zieht der Trumpismus in den Supreme Court ein. Im Senatshearing gab Kavanaugh den polternden Biertrinker. Den Vorwurf der sexuellen Belästigung durch die Universitätsprofessorin Christine Blasey Ford konterte er mit wütenden Ausfällen gegen die Eliten, die Medien und das angeblich linke Establishment. Das legendäre Höchstgerichtsurteil zur Legalisierung der Abtreibung von 1972 wackelt mit den neuen Mehrheitsverhältnissen. Ein Ende des Rechts auf Abtreibung ist seit Jahrzehnten das höchste Ziel ultrakonservativer Aktivisten.
Die neun Höchstrichter sind in den USA ein Eckpfeiler der Gewaltenteilung. Mit Kavanaugh wird die Institution von der rechtspopulistischen Sturmflut erfasst. Die politische Mitte verschwindet. Die Umwandlung der einst konservativen Republikanischen Partei in das Sprachrohr Trumpscher Wutbürger schreitet voran. Auch die breite Mobilisierung feministischer Frauen gegen Kavanaugh im Zeichen der #MeToo-Bewegung hat die republikanischen Senatoren nicht von der Linie des Präsidenten abgebracht.
Der linksliberale Kolumnist Paul Krugman weist in der New York Times auf die kulturellen Bruchlinien hin, die zur Polarisierung geführt haben. Die #MeToo-Bewegung, die in den USA den Sturz von Senatoren und Wirtschaftsbossen bewirkt hat, zeigte die Schwächen des Patriarchats. Latinos, Afroamerikaner und Vertreter anderer Minderheiten haben die Hegemonie der weißen Eliten gebrochen. Die Trumpsche Konterrevolution gegen eine Gesellschaft, die toleranter, multikultureller und weltoffener geworden ist, ist die Antwort der verängstigten Verlierer. Ökonomisch motivierte Globalisierungsängste verstärken den ethnischen Nationalismus in der weißen Mittelschicht, obwohl die Wirtschaft floriert und die Arbeitslosigkeit gering ist.
Donald Trump und Brett Kavanaugh sind selbst Teil der Eliten. Brasiliens Jaio Bolsonaro war fast 28 Jahren Kongressabgeordneter. Der Kampf gegen das Establishment, den die Trumpisten führen, heißt Vorrang für sogenannte starke Männer und ein Rollback der Errungenschaften für Frauen und Minderheiten.
Historiker und Politikwissenschaftler diskutieren seit einiger Zeit, ob die liberale Demokratie in ein autoritäres Zeitalter umschlägt. Antworten werden in den nächsten Wochen in der westlichen Hemisphäre gegeben werden. Bei den Kongresswahlen in den USA und der Stichwahl in Brasilien wird sich zeigen wird, ob die Erfolge Brett Kavanaughs und Jair Bolsonaros die demokratischen Widerstandskräfte mobilisieren oder ob im Gegenteil bei der demokratischen Linken die Demoralisierung überwiegt.

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