Afghanistandebatte, MoJ, 23.2.2009

Nach dem Europäischen Finanzgipfel in Berlin gestern treten heute in Brüssel die Außenminister der EU zusammen. Dabei wird es auch um die Wirtschaftskrise gehen, denn es gilt den außerordentlichen EU-Gipfel am kommenden Sonntag vorzubereiten. Aber im Vordergrund steht heute die Situation in Afghanistan und den europäischen Beitrag zu einer neuen Strategie am Hindukusch, berichtet aus Brüssel Raimund Löw.
Die Westmächte stehen in Afghanistan heute ungefähr dort, wo einst auch die Sowjetunion vor ihrem unrühmlichen Abzug war: USA und NATO kontrollieren mit ihren afghanischen Verbündeten die Städte. In vielen ländlichen Gebieten wächst aber der Einfluss der islamischen Aufständischen, der neu erstarkten Taliban.
Damit die westliche Intervention 7 Jahre nach der Vertreibung des fundamentalistischen Talibanregimes nicht so endet, wie die sowjetische Besatzung, will die Obama-Administration in Washington einen neuen Anfang. Die EU-Außenminister werden sich heute überlegen, wie der Beitrag Europas aussehen könnte, um die Lage zum besseren zu wenden. Mehrere NATO-Staaten wollen ihre Truppenpräsenz verstärken, darunter die USA mit 17 000 zusätzlichen Soldaten.
Die Europäische Union konzentriert sich, deutlich bescheidener, auf den zivilen Wiederaufbau. 200 Polizisten aus 18 EU-Staaten sind in Afghanistan im Einsatz, diese Zahl will man endlich wie schon lange versprochen auf 400 verdoppeln. Aber es melden sich einfach zu wenig Polizisten für diese Mission. Österreich hat bisher keine Beteiligung am EU-Afghanistaneinsatz zugesagt. Schließlich sei man mit zwei Dutzend Polizisten im Kosovo und 3 Beamten in Georgien bereits stark belastet, heißt es in Wien.
Im August soll es Präsidentschaftswahlen geben in Afghanistan, das Mandat von Präsident Karsai läuft ab. Auch hier sind die Europäer gefordert, internationale Wahlhelfer und Wahlbeobachter bereit zu stellen, höchst gefährliche Jobs in einer Zeit wachsender Anschläge und Überfälle.
Damit die Europäer auf politischer Ebene gegenüber dem mächtigen neuen amerikanischen Sonderbeauftragten Richard Holbrooke nicht völlig das Nachsehen haben, könnte eine sogenannte Afghanistan-Kontaktgruppe gebildet werden, bestehend aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Aber ob die anderen EU-Staaten damit einverstanden sind, ist noch unklar.
Abseits vom Thema Afghanistan geht es, wie immer beim Treffen der Außenminister und Europaminister, auch um die Vorbereitung der nächsten EU-Gipfel, die ganz der Wirtschaftskrise gewidmet sein werden. Schon nächsten Sonntag treffen sich alle EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Mittagessen, bei dem über den Umgang mit faulen Krediten und die Gefahren des Protektionismus debattiert werden soll. Die Außenminister helfen den Chefs quasi den Ball von der gestrigen Finanzrunde in Berlin wieder aufzunehmen in Hinblick auf die nächsten Treffen in Brüssel und London.

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